290.000 Festnahmen, 95% Geldstrafen, 0 Wirksamkeit: Die Statistiken, die das Cannabisgesetz in Frankreich ins Wanken bringen werden
Zum ersten Mal veröffentlicht der ministerielle Statistikdienst für innere Sicherheit (SSMSI) eine detaillierte Studie nach Substanzart zu den seit 2016 registrierten Handels- und Gebrauchsdelikten. Dieselbe Dienststelle hatte bereits 2022 die Bilanz der „amende forfaitaire délictuelle“ (AFD) gezogen.
Der SSMSI liefert hier eine genaue Fotografie, die bestätigt, was die Akteure des Feldes seit langem wissen: Cannabis dominiert bei weitem die Verfahren, aber die Dynamiken ändern sich je nach Produkt und Profil schnell.
Ein seit 2016 kontinuierlich steigender Gebrauch und Handel
Im Jahr 2024 wurden 290.400 Personen wegen Drogengebrauchs und 52.300 Personen wegen Drogenhandels angeklagt. Diese Zahlen steigen seit 2016 deutlich an, wobei die Beschleunigung beim Gebrauch seit 2020, dem Jahr der Einführung der AFDs, zu verzeichnen ist. Diese machen nun 68% der Verfahren aus, d.h. 196.400 Bußgeldbescheide, davon 95% für Cannabis.
Laut der Studie stehen 92% der wegen Gebrauchs Angeklagten und 78% der wegen Handels Verfolgten im Zusammenhang mit Cannabis – hauptsächlich Harz, in mehr als drei von vier Fällen. Die Dominanz von Harz lässt sich sowohl durch die Struktur des französischen Marktes als auch durch die historisch verankerten Importwege erklären.
Hinter Cannabis dominieren drei Substanzen: Kokain, Heroin und Ecstasy-MDMA. Zusammen betreffen diese vier Produkte 99% der wegen Handels und fast alle wegen Gebrauchs Angeklagten.
Cannabis, Kokain, Ecstasy: ein uneinheitlicher Anstieg
Die Entwicklungen seit 2016 sind bei den einzelnen Betäubungsmitteln sehr unterschiedlich. Die Zahl der wegen Cannabishandel Angeklagten ist in neun Jahren „nur“ um 35% gestiegen, während die Zahlen bei anderen Drogen explodieren.
- +176% für den Kokainhandel
- +118% für den Handel mit Ecstasy-MDMA
- sehr moderater Anstieg bei Heroin (+12%)
- Einbruch bei anderen Opioiden
Auf der Verwendungsseite erleben die AFD-fähigen Produkte ähnliche Höhenflüge:
Umgekehrt geht der Gebrauch von Heroin stark zurück (-34%), ebenso wie der von Amphetaminen (-26%).
Sehr junge Profile für Cannabis und synthetische Drogen
Die Studie bestätigt eine bereits beobachtete, aber selten so genau quantifizierte Tatsache: Die wegen Cannabis Angeklagten sind die jüngsten.
- Medianalter: 21 Jahre für den Handel, 24 Jahre für den Gebrauch
- 22% der wegen Handels Angeklagten sind minderjährig
- 79% sind jünger als 30 Jahre
Synthetische Drogen (Ketamin, MDMA, Amphetamine, Cathinone) zeichnen ein ähnliches Profil: jung, oft in Gruppen und häufiger in Polyusing-Situationen.
Im Gegensatz dazu sind die Nutzer von Kokain (31 Jahre im Median), Heroin (37 Jahre) oder anderen Opioiden (38 Jahre) deutlich älter.
Eine weitere Erkenntnis: Frauen sind nach wie vor weit in der Minderheit (8 % beim Cannabiskonsum, 10 % beim Handel mit allen Produkten zusammen), aber ihr Anteil ist doppelt so hoch beim Handel oder Konsum von Ketamin und Amphetaminen.
Ausländische Personen stärker ins Visier genommen
Ausländische Personen machen 8% der französischen Bevölkerung aus, aber 22% der wegen Handels und 12% wegen Gebrauchs Beschuldigten im Jahr 2024. Dieser Anteil variiert stark je nach Produkt.
Der auffälligste Fall ist Crack, wo 47% der Beschuldigten für den Handel und 41% für den Gebrauch Ausländer sind, die überwiegend aus afrikanischen Ländern stammen. Paris konzentriert mehr als die Hälfte der Verfahren im Zusammenhang mit dieser umgewandelten Form von Kokain, was es zur geografisch am stärksten konzentrierten Droge in Frankreich macht.
Bei Cannabis steigt der Anteil der Ausländer ebenfalls an, seit 2016 von 11% auf 21% im Handel.
Harz vs. Gras: starke territoriale Unterschiede
Auch wenn Harz insgesamt dominiert, nuanciert die Geografie diesen Eindruck der Homogenität. In einigen Departements wie Guadeloupe, Nord, Réunion oder Ardennes überwiegt Kraut im Gebrauch oder im Verkehr.
In den Departements, in denen Cannabis-Füße in den Verfahren am häufigsten vorkommen – Ardèche, Ariège, Lot, Réunion – zeigt sich ein ganz anderes Profil:
- Medianalter 36 Jahre,
- mehr Frauen,
- weniger Ausländer.
Kokain: Eine Explosion und eine sehr ungleiche Verbreitung
Als zweithäufigstes registriertes Rauschgift hat sich Cocain in neun Jahren im Handel fast verdreifacht.
Die höchsten Werte finden sich in :
- in Guyana (300 Beschuldigte/100.000 Einwohner),
- in Martinique,
- in mehreren Departements der Paris Region,
- und auf dem Mittelmeerbogen.
Bei der Nutzung überschreiten Paris und mehrere Departements im Südosten 80 Verurteilte pro 100.000 Einwohner, was fast doppelt so hoch wie der nationale Durchschnitt ist.
Heroin: ein rückläufiger, aber sehr lokal begrenzter Markt
Als drittgrößter Stoff nach Volumen weist Heroine eine extrem ausgeprägte Geografie auf. Im Jahr 2024 befinden sich die höchsten Raten in :
- der Norden,
- der Osten,
- namentlich Meuse, Vogesen, Somme, Meurthe-et-Moselle, Ardennes.
In einigen Gemeinden wie Lille, Amiens oder Calais konzentrieren sich mehr Angeklagte wegen Heroinkonsums als in Paris.
Synthetische Drogen: rasanter Anstieg und massiver Mehrfachgebrauch
Die synthetischen Drogen (MDMA, Ketamin, Cathinone, Amphetamine) verdoppeln oder verdreifachen sich je nach Produkt. Das wichtigste Phänomen: der Polykonsum.
- 89% der wegen Ecstasy-Handels Angeklagten werden auch mit mindestens einem anderen Produkt in Verbindung gebracht.
- Für Ketamin steigt die Rate auf +90% im Handel.
- LSD wird in 85% der Fälle im Handel mit Ecstasy kombiniert.
Cannabis erzeugt im Vergleich dazu die wenigsten Assoziationen.
Eine Fotografie, die die Strafrechtspolitik in Frage stellt
Während Kokain weiterhin ein spektakuläres Wachstum verzeichnet und einige synthetische Drogen explodieren, entfacht die Beibehaltung eines massiv auf Cannabis fokussierten Dispositivs – insbesondere über die AFD – erneut die Debatte über die Relevanz des Modells.
Die SSMSI-Daten bestätigen ein strukturelles Ungleichgewicht in der französischen Antwort auf die Drogenproblematik: Der weitaus größte Teil der Aktivitäten der Ordnungskräfte entfällt auf Cannabis, während die Substanzen mit dem stärksten Anstieg – Kokain, Crack, synthetische Drogen – die größten gesundheitlichen, kriminellen oder sozialen Risiken bergen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Beibehaltung eines einheitlichen Strafverfolgungsmodells immer mehr im Widerspruch zu den Realitäten des Marktes zu stehen.
Für viele Akteure sprechen diese Zahlen dafür, die Ressourcen auf die gefährlichsten Produkte umzulenken, den polizeilichen Druck auf Cannabis zu verringern und eine offene Debatte über Formen der regulierten Kontrolle zu führen, um gezielter auf den problematischsten Handel einzuwirken und die Wirksamkeit der öffentlichen Politik insgesamt zu verbessern.
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