90% legales Cannabis in Deutschland? Warum die Umfrage Zweifel aufkommen lässt

Ein neuer Bericht, KonCanG, der von der Frankfurt University of Applied Sciences und der Evangelischen Hochschule Freiburg erstellt wurde, besagt, dass 88,4 Prozent der deutschen Cannabiskonsumenten in den letzten sechs Monaten ihr Cannabis aus legalen Quellen bezogen haben.
Seit dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes (CanG) am 1. April 2024 in Deutschland, legt die Umfrage nahe, dass sich das Land weitgehend vom illegalen Markt abgewandt hat.
Auf den ersten Blick scheint dies ein bemerkenswerter politischer Erfolg zu sein, der darauf hindeutet, dass das deutsche Cannabisgesetz (CanG) eines seiner Hauptziele erreicht hat: den Handel aus den Händen der Drogenhändler zu nehmen und ihn in regulierte Kanäle zu verlagern.
Doch bei genauerer Lesung der Studie KonCanG zeigt sich eine komplexere Situation. Hinter der Zahl von 90% verbergen sich methodische Einschränkungen, unklare Definitionen des „legalen Angebots“ und eine immer noch präsente Rolle des Schwarzmarkts.
Eine nicht repräsentative Umfrage
Die KonCanG-Studie stützt sich auf eine Online-Umfrage, die zwischen März und Juni 2025 unter 11.471 Teilnehmern durchgeführt wurde. Obwohl die Stichprobe groß ist, sind die Autoren klar: Sie ist nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.
Die Rekrutierungsstrategie stützte sich auf soziale Netzwerke, Aktivistennetzwerke und Cannabis-Clubs, Gruppen, die von Natur aus stärker in das Thema involviert sind. Es überrascht nicht, dass die Stichprobe stark zugunsten der häufigen Konsumenten verzerrt war: 81% gaben an, mindestens einmal pro Woche zu konsumieren, 39% täglich. Gelegenheitskonsumenten, die oft von opportunistischen oder informellen Quellen abhängig sind, sind dagegen unterrepräsentiert.
Demografisch gesehen bestand die Stichprobe zu 85,9% aus Männern, zu 96,5% aus deutschen Staatsangehörigen und war deutlich gebildeter als die Allgemeinbevölkerung. All dies bedeutet, dass die Ergebnisse nicht einfach auf „90% der Deutschen“ verallgemeinert werden können.
Legal, aber nicht kommerziell
Das vielleicht auffälligste Merkmal der Ergebnisse ist das, was als „legal“ gilt. In Deutschland gibt es keinen offenen Einzelhandelsmarkt für Freizeitaktivitäten. Stattdessen lässt der CanG-Rahmen drei Hauptversorgungswege zu:
- Heimanbau, bis zu drei Pflanzen pro Person
- Cannabisanbauvereine, Clubs mit bis zu 500 Mitgliedern
- Apotheken, für medizinisches Cannabis
Laut der Studie gaben 62,3 % der Erwachsenen an, zu Hause anzubauen, 43,7 % bezogen Cannabis aus Apotheken, während nur 2,5 % auf Anbauvereine zurückgriffen.
Das bedeutet, dass der „legale Markt“ in Deutschland keine strukturierte und besteuerte Industrie ist, die mit der in Kanada oder den USA vergleichbar ist. Es handelt sich vielmehr um einen Flickenteppich aus privatem Anbau und Apothekenkäufen.
Der missbrauchte medizinische Rahmen
Der pharmazeutische Kanal veranschaulicht die Grauzone zwischen medizinischem und Freizeitgebrauch. Die Studie ergab, dass 94% der Personen, die Cannabis in Apotheken kauften, dies ohne Rezept ihrer Krankenversicherung taten. Stattdessen verließen sie sich auf private Rezepte, die leicht zu bekommen, aber teuer sind.
In der Praxis bedeutet dies, dass Apotheken, die offiziell Teil des medizinischen Systems sind, als Versorgungsstelle für Freizeitkonsumenten dienen. Der Bericht erkennt dies an und betont, dass die Reformen des Gesetzes über medizinisches Cannabis (MedCanG) den Zugang erleichtert haben und „offenbar auch von Freizeitkonsumenten genutzt werden“.
Diese Unschärfe zwischen den Kategorien untergräbt das Argument, dass der legale Markt den illegalen Markt vollständig ersetzt. Im Gegenteil, ein reguliertes System (medizinischer Zugang) wird umgeleitet, um die Freizeitnachfrage zu befriedigen.
Trotz der optimistischen Überschriften macht der KonCanG-Bericht deutlich, dass der illegale Markt nicht verschwunden ist.
- 36,1% der Erwachsenen gaben an, in den letzten sechs Monaten mindestens eine illegale Quelle genutzt zu haben.
- Selbst nach Ausschluss von „Freunden, die ihre Eigenproduktion teilen“ (eine rechtliche Grauzone), bezogen 20,8% immer noch Cannabis von streng illegalen Lieferanten.
- Von den jungen Erwachsenen (18-24 Jahre) verließen sich 65,7 % weiterhin auf Dealer als Hauptbezugsquelle.
Und nur 2,5% griffen auf Kulturvereine zurück.
Dies deutet darauf hin, dass häufige erwachsene Konsumenten zwar möglicherweise zur „legalen“ Beschaffung übergegangen sind, jüngere und gelegentliche Konsumenten jedoch weiterhin im illegalen Markt verwurzelt sind.
Konsumgewohnheiten unverändert
Die Studie bestätigt auch, dass die Legalisierung die Konsumgewohnheiten in nur einem Jahr nicht radikal verändert hat. Die häufigste Form bleibt der Joint mit Tabak (40,4%), dicht gefolgt von Vaporizern (37,7%). Essbare Produkte bleiben mit 2,4% marginal und liegen weit unter dem nordamerikanischen Niveau.
Geschlechts- und Altersunterschiede bleiben bestehen: Frauen mischen Cannabis eher mit Tabak, Männer und nicht-binäre Befragte bevorzugen Vaporizer, und junge Konsumenten konsumieren sechsmal häufiger als ältere Erwachsene tabakfreie Joints.
Diese Muster deuten eher auf Kontinuität als auf eine Transformation hin. Die Legalisierung hat die Herkunft von Cannabis verändert, aber nicht die Art und Weise, wie es konsumiert wird.
Ein Bereich, in dem das CanG einen unbestreitbaren Einfluss gehabt zu haben scheint, ist das Sicherheitsgefühl der Konsumenten. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, dass sie keine Angst mehr vor einer strafrechtlichen Verfolgung ihres Cannabiskonsums haben. Diese psychologische Erleichterung ist keine kleine Leistung, auch wenn die zugrunde liegenden Versorgungsstrukturen weiterhin unklar sind.
Zu schön, um wahr zu sein?
Hat Deutschland den Schwarzmarkt wirklich in weniger als 18 Monaten beseitigt? Die Fakten deuten auf das Gegenteil hin.
Die Zahl von 90% legaler Beschaffung ist technisch korrekt, spiegelt aber eher eine Neueinstufung bestehender Verhaltensweisen (Heimanbau und Privatrezepte) wider als die Schaffung einer transparenten und steuerpflichtigen Industrie. Die Studie selbst warnt davor, dass sie nicht repräsentativ und zugunsten von Großkonsumenten voreingenommen ist, wodurch die Ergebnisse weniger auf die Gesamtbevölkerung verallgemeinerbar sind.
Darüber hinaus bestehen weiterhin illegale Kanäle, insbesondere bei jungen Konsumenten, und der medizinische Rahmen wird eindeutig für Freizeitzwecke ausgenutzt.
Es sei auch daran erinnert, dass die deutsche Regulierung von Cannabis noch in den Kinderschuhen steckt und dass Rom nicht an einem Tag erbaut wurde. Der KonCanG-Bericht bietet wichtige Informationen, aber sein optimistischer Titel verdeckt die Komplexität des Themas.
Ja, viele Verbraucher operieren mittlerweile innerhalb der Grenzen des Gesetzes. Aber ohne reguliertes Einzelhandelssystem, mit Apotheken, in denen die Grenze zwischen medizinischem und Freizeitgebrauch fließend ist, und mit einem großen Teil der Bevölkerung, der weiterhin von illegalen Händlern abhängig ist, ist es verfrüht zu behaupten, dass das Cannabisgesetz (CanG) sein Ziel, den illegalen Markt zu zerschlagen, erreicht hat.
Die wahren Auswirkungen der Legalisierung werden erst nach größeren und repräsentativen Studien und im Laufe der Zeit deutlich werden.
-
Cannabis in den USA2 Wochen ago
Quick Hit August 2025: Was wir in den letzten Wochen verpasst haben
-
Cannabis für den Freizeitgebrauch2 Wochen ago
Bordeaux, Dortmund, Lissabon: Die wichtigsten Cannabis-Veranstaltungen in Europa im September 2025
-
Cannabis in den Niederlanden2 Wochen ago
[VIDEO] Wie die niederländischen Samenbanken Cannabis für immer verändert haben
-
Cannabis für den Freizeitgebrauch1 Woche ago
Niederländisches Experiment mit legalem Cannabis: Coffeeshops jetzt auf im Land produziertes legales Haschisch beschränkt
-
Cannabis in den USA2 Wochen ago
Cannabis in den USA: Neueinstufung oder Legalisierung?
-
Cannabis für den Freizeitgebrauch2 Wochen ago
Wie die Schweiz Cannabis legalisieren will
-
Cannabis in Japan1 Woche ago
In Japan kann CBD teuer werden: Der erzwungene Rücktritt eines Suntory-Chefs
-
Cannabis für den Freizeitgebrauch1 Woche ago
Anutin Charnvirakul, der „Cannabis-König“, übernimmt die Macht in Thailand