Deutscher Richter fordert Verfassungsmäßigkeit des Cannabisverbots heraus

Am Freitag wurde dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ein Antrag zum Cannabisverbot vorgelegt. Richter Andreas Müller vom Amtsgericht Bernau ist der Ansicht, dass das Cannabisverbot in Deutschland nicht verfassungsgemäß ist, und will dies vor der höchsten Instanz des Landes beweisen.
Richter Müller positioniert sich seit vielen Jahren für eine Legalisierung von Cannabis. Bereits 2002 hatte er das BVerfG aufgefordert, zu prüfen, ob das Cannabisverbot mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist. Damals hielt das BVerfG den Antrag des Richters für unzulässig, teilweise mit der Begründung, dass es selbst an eine frühere Entscheidung aus dem Jahr 1994 gemäß Artikel 31 Absatz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht gebunden sei. Richter Müller hatte demnach keine neuen Tatsachen vorgebracht, „die eine von den früheren Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts abweichende Entscheidung ermöglichen könnten“, so das BverfG im Jahr 2004.
Damit eine neue Klage vor dem Verfassungsgericht zulässig ist, muss Richter Müller nun nachweisen, dass es seit 1994 „neue Tatsachen“ gegeben hat. Die Entkriminalisierung oder Legalisierung in Portugal, Uruguay, in Kanada und in elf US-Bundesstaaten zeigen für Müller, dass die Strafbarkeit „nicht notwendig“ ist, um Ziele wie den Schutz von Minderjährigen zu erreichen.
Im Vorwort zu seiner 140-seitigen Denkschrift erklärt Richter Müller, dass““es zwingend erforderlich ist, dass sich das Bundesverfassungsgericht, das sich seit über 26 Jahren nicht mehr mit dem Cannabisverbot befasst hat, mit der Frage auseinandersetzt, ob die Verfolgung von Millionen von Menschen in der Bundesrepublik Deutschland wegen des Konsums von Cannabis noch zeitgemäß ist und den Anforderungen einer freien Gesellschaft und dem Auftrag des Grundgesetzes, insbesondere zum Schutz von Minderheiten, gerecht wird.“
Müller argumentiert unter anderem, dass es inzwischen Belege dafür gibt, dass die Gefährlichkeit von Cannabis anders als bisher bewertet werden muss: „Der deutlichste und aktuellste Ausdruck der Neubewertung der Gefährlichkeit von Cannabis findet sich im Expertenkomitee der WHO, das 2018 einen kritischen Bericht über die aktuelle Einstufung von Cannabis veröffentlicht hat.“
Müller verweist auch auf die „allgemeine Annahme, dass der Konsum von Cannabis zu einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit führt“, die nicht belegt werden kann.
„Obwohl nachgewiesen werden kann, dass die problematischsten Personen besonders häufig konsumieren, lassen sich keine Beweise für eine schädliche Wirkung von Cannabis finden“, heißt es im Bericht des Richters. „Außerdem ist zu beachten, dass „angesichts der Millionen von Konsumenten relativ wenige wegen einer cannabisbezogenen Diagnose ambulant oder stationär behandelt werden“.
Nach Ansicht des Bernauer Richters verletzt die Kriminalisierung von etwa vier Millionen Cannabiskonsumenten in Deutschland nicht nur eine Vielzahl von Grundrechten der Betroffenen, wie das „Recht auf Rausch“ gemäß Artikel 2 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie würde auch „immense Kosten für den Staat und die Gesellschaft wegen der Unverhältnismäßigkeit der strafrechtlichen Sanktionen“ verursachen. Auf mehreren Seiten widmet sich Müller dem Verhältnis von Cannabis und Alkohol unter dem Aspekt der grundsätzlichen Gleichheit (Artikel 3 Grundgesetzf), mit dem Fazit: „Die unterschiedliche Behandlung von Cannabis und Alkohol muss als sehr willkürlich angesehen werden“
Die einzige Möglichkeit zur Entkriminalisierung von Cannabis liegt heute beim BVerfG. Von der derzeitigen Bundesregierung kann keine Liberalisierung erwartet werden, da die Bundesdrogenbeauftragte kürzlich jegliche Legalisierungsbestrebungen zurückgewiesen hat.
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